So weit die Störche ziehen [Rezension]
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Titel: So weit die Störche ziehen Autor: Theresia Graw Verlag: Ullstein Seiten: 640 Erscheinungsjahr: 2020 Übersetzung: Aus dem Englischen von Marion Herbert ISBN: 978-3-548-06252-5 Genre: Historienroman Art: broschierter Einband
Sie selbst hat auch jemand ganz bestimmtes vor Augen: Wilhelm von Lengendorf, den besten Freund ihres großen Bruders Hans. Und tatsächlich kommt es 1940 zu ihrer Verlobung, kurz bevor Wilhelm genauso wie Hans eingezogen wird. Bald trifft es auch den Vater Twardy. Dora wird zu ihrem verwitweten Onkel nach Königsberg geschickt, um sich um die Kinder zu kümmern und lernt dort in einer Boutique den Kriegsfotografen Curt kennen und ist von dessen charmanter Art heimlich eingenommen, wartet aber immer noch sehnsüchtig auf das Ende des Krieges, das ihr die Ehe mit Wilhelm bringen soll. Und dieses Ende, so denkt sich Dora, wird doch wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen? Nichtsahnend, was das Schicksal für sie und ihre Nation noch alles bereithalten wird, schwelgt Dora noch immer in ihren Kleinmädchen-Träumereien, die von schönen Kleidern, Liebesbriefen und Zukunftsplänen handeln. Doch bald schon wird ihr der Tod kein Fremder mehr sein, genauso wie Hunger, Kälte und Krankheit. "Gestern habe ich 24 Flöhe in meinem Hemd gefangen, heute waren es nur 19. Es werden also weniger. Da geht es den Flöhen wie uns." Ich habe das Buch mit großer Vorfreude in die Hand genommen und angefangen zu lesen, geriet aber direkt auf der ersten Seite ins Stocken: Der Schreibstil war ziemlich simpel und es ging um Nichtigkeiten. Auf der Rückseite wird der Roman mit Vom Winde verweht verglichen und ich hatte ein mulmiges Gefühl, ob das gut gehen kann. Dies sollte ein bedeutender Historienroman über den zweiten Weltkrieg werden? Die ersten Seiten, in denen es nur um Damengarderobe und ein neues Pferd auf dem Hof der Protagonistin geht, haben mich skeptisch gemacht. Nun gut, ich las also Seite um Seite weiter und lernte die Protagonistin, die ganz genau weiß, was sie will, besser kennen. Sie ist unheimlich stark und auch wenn sie zu Anfang etwas verwöhnt wirkt, ist sie keineswegs nervig, sondern ein angenehmes Medium, um diese Welt in Ostpreußen zu erkunden. Tja, und so langsam hab ich da auch schon den detailverliebten Schreibstil der Autorin zu schätzen gelernt. Wenn ich oben schreibe, dass er simpel ist, meine ich nicht, dass er oberflächlich und sprachfaul ist, sondern dass er auf Ausschmückungen verzichtet. Positiv ist mir aber auch aufgefallen, dass er an die sprechenden Personen und ganz besonders an die Zeit angepasst wurde. Und ganz wichtig: Er hat es geschafft, dass das Fass zu brodeln anfing: Man kennt die Geschichte ja und dass das friedliche Leben in Ostpreußen von 1939 so nicht weiter gehen konnte, lag auf der ersten Seite auf der Hand. Die Spannung und das Warten haben sich ausgezahlt: Nach einem guten Viertel des Buches jagte ein geschichtsträchtiges Ereignis das nächste und wurde glaubwürdig mit Doras Leben verwoben. Nicht selten saß ich entsetzt da, legte das Buch weg und konnte kaum glauben, was da gerade passiert war. Die Autorin nimmt wirklich kein Batt vor den Mund und beschönigt die Ereignisse nicht. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, sollte deswegen nicht all zu empfindlich sein. Mich hat die Geschichte auf jeden Fall berührt und sie hat auch mein Interesse geweckt, mich noch mehr mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Sonst liest man Geschichten über den zweiten Weltkrieg oft aus der Perspektive jüdischer Familien oder welcher aus dem Westen. Hier mal eine ganz andere, schicksalsträchtige Perspektive. Es hat auch Spaß gemacht, die vielen kleinen Details, die Fetzen, die einem die Atorin zuwirft, wirken zu lassen. Z.B wie Königsberg zu dieser Zeit ausgesehen hat oder was es so zu essen gab. Besonders auffällig war die Affinität für Blumen. Man lernt einige botanische Arten mit Namen kennen und ich kann nur empfehlen, unbekannte Arten sogleich zu googeln. Das steigert das Leseerlebnis. Weswegen ziehe ich einen Catookie ab? Eben wegen dem schwierigen Anfang und weil es hin und wieder aufgesetzt wirkte, wie die Autorin historische Fakten in die Geschichte eingebunden hat. Als sollte es ein Lehrbuch sein... Letztendlich bin ich aber dankbar dafür, weil ich tatsächlich noch viel gelernt habe. Ich kann das Buch auch jüngeren Lesern, die in das Genre erst einsteigen, empfehlen. Zu jung solltet ihr aber auch nicht sein, weil es auch manchmal hart zu lesen ist, was den Menschen und Tieren widerfährt. Und die Liebesgeschichte? Kann sie sich mit Vom Winder Verweht messen? Also erst einmal spielen mehrere Liebesgeschichten eine Rolle. Und zum anderen wurde sie nicht absolut in den Vordergrund gedrängt. Die Parallelen zu dem großen Klassiker liegen tatsächlich auf der Hand. Krieg, große Umbrüche und Kriesen und zwei Menschen, die füreinander bestimmt sind. Aber was das angeht, würde ich sagen, dass dieses Buch weniger episch und dafür realitätsnaher ist. Horst-Wessel-Lied Willy Fritsch Heinz Rühmann Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern ~ Schuricke-Terzett Zara Leander "Viel interessanter ist es doch, das Ungewöhnliche zu zeigen. Den ganz besonderen Moment. Genau den möchte ich auf meinen Bildern einfangen, den entscheidenden Augenblick, der eine ganze Geschichte erzählt." Ganz schön aufwühlend. Als wäre man wirklich dabei!
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Interessante und schöne Rezension.
AntwortenLöschenIch hatte aber ganz schöne Schwierigkeiten, deinen Text zu lesen. Schuld daran ist die Schriftauswahl gepaart mit dem Hintergrund. Das war echt anstrengend für meine Augen.
Hey,
Löschendanke für deine Rezi, die ist sehr hilfreich. Ich habe das tatsächlich als Großprojekt vor, das Layout zu verändern und den Hintergrund zu neutralisieren. Welche Schriftart würdest du denn empfehlen?
LG
Amira